von Josef Spindler
Wie alle alten Riesengebirgsbauden
war auch die Peterbaude ursprünglich eine "Sommerbaude". Im Frühsommer,
wenn das Vieh aus den Talorten auf die Gebirgsweiden des Kammgebietes getrieben
wurde, zog erst Leben in diese primitiven Holzhütten, und wenn die Herbststürme
den frühen Riesengebirgswinter ankündigten, wurden Fenster und Türen
wieder zugenagelt, und bald deckte meterhoher Schnee die verlassene Baude. Nur
ganz selten kamen damals "Fremde" in diese einsamen Kammregionen;
hie und da tauchte ein Kräuter- oder Edelsteinsucher auf, noch seltener
unternahm ein ganz Waghalsiger eine romantische Gebirgswanderung, die einer
Expedition in unerforschte Gebiete glich. Ein Heulager in diesen Sommerbauden
diente dann als willkommene Nächtigungsmöglichkeit. Butter, Käse
und Milch wurden mehr oder weniger gern mit diesen "Narrischen" geteilt,
die von den Baudenleuten wie alles Unbekannte mit Misstrauen betrachtet,
andererseits aber als willkommene Abwechslung in der Einsamkeit des Bergsommers
begrüßt wurden. Der Winter jedoch sah weder Baudenleute noch seltene
Fremde in diesen Höhen. Höchstens die Fährte eines Bären
oder Fuchses zeichnete die glitzernde Reinheit der weißen Hochflächen.
In der Mitte des Riesengebirgskammes, am Südosthang der Mädellehne,
lag in 1300 Meter Höhe knapp über der Waldgrenze so eine Sommeralm.
Weit reichte der Blick von hier oben: im Norden über das Hirschberger Tal
hinweg bis zum Zobten bei Breslau und im Süden über die von Ziegenrücken
und Goldhöhe flankierten Sieben Gründe, dann der Elbe entlang bis
in die böhmische Tiefebene. Hart an der Landesgrenze stand die Baude; nur
ein paar Schritte und man war drüben "am Blunn", in Schlesien.
Diese Sommeralm gehörte dem alteingesessenen Riesengebirgsgeschlecht der
Pittermann. Nach diesen "Pieterleut´n" wurde sie "Pieterbaud"
genannt. Im Dialekt hat sich diese Bezeichnung bis heute erhalten, im Schriftdeutsch
entstand daraus "Peterbaude".
Als Ignaz Pittermann kinderlos starb, übernahm sein Schwestersohn Johann
Zinecker diese Gebirgsbaude. Die Zinecker stammen aus einem Bergbauerngeschlecht,
das in den Alpenländern beheimatet ist. In der Reformationszeit wanderte
der Stammvater des Riesengebirgszweiges aus der Steiermark aus und kam mit dem
Berghauptmann von Gendorff ins Riesengebirge, wo er eine neue Heimat fand. Als
älteste handschriftliche Urkunde ist in den Bergbüchern der Gräflich
Czerninschen Herrschaft Hohenelbe aus der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges eingetragen, dass ein Elias Zinecker "Grund erworben und sein Haus
am Schlesischen Steig selbst erbauet" hat. Wo dieser Schlesische Steig
gelegen ist, darüber sind sich die Gelehrten nicht einig; von einigen wird
er in die Mitte, von einigen in den Osten des Riesengebirges verlegt. Soviel
steht jedenfalls fest, dass der Urahn Elias sein Haus nicht unten im Tal errichtete,
sondern wieder ins Gebirge hinaufging. Wie seine Vorväter brauchte er den
freien Blick von den Höhen und nahm dafür gern Abgeschiedenheit und
ein härteres Leben in Kauf.
Vielleicht hat der Entschluss, auch den Winter über oben auf der Peterbaude
zu bleiben, die gleiche blutbedingte Ursache gehabt. Leicht muss er nicht gewesen
sein, bedeutete das doch, durch lange fünf Monate ohne fremde Hilfe, ohne
jede Verbindung mit der Außenwelt den harten Winter zu überdauern.
Der Ski war damals im Riesengebirge noch unbekannt, und er wäre das einzige
Verkehrsmittel durch die weglosen Schneemassen gewesen.
Jedenfalls wurde in den Jahren nach 1800 aus der Sommerbaude ein winterfestes
Haus gemacht: der Stall in Bruchsteinmauerwerk, Stube und Kammer in Blockbau
aus mühsam hinaufgetragenen starken Fichtenstämmen, den Heuboden
die "Binn" deckte ein spitzes Schindeldach, das schützend
über die "Brück", den terrassenartigen Vorbau, ragte; kurz,
die für Riesengbirgsbauden früher typische Bauweise. 1811 ist ein
denkwürdiges Jahr in der Geschichte der Peterbaude. Von da ab blieb Mensch
und Vieh Sommer wie Winter oben im Gebirge. Jetzt war die Baude nie mehr verwaist.
In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts lebten die Bewohner der Bauden
noch recht und schlecht von der Viehwirtschaft, denn auch damals gehörten
"Reisen durch das Riesengebirge" noch zu beschwerlichen Unternehmungen.
Nächtigung und Beköstigung war nach Urteilen der zeitgenössischen
Literatur sehr primitiv. Mancher "Gast" mag auf harter Bank oder dürftigem
Heulager den Morgen herbeigesehnt haben, um dann mit müden Gliedern und
möglicherweise knurrendem Magen weiterzuwandern. Trotz allem kamen aber
Gebirgswanderungen immer mehr in Mode, und bald übernachteten im Sommer
fast täglich Fremde in den wenigen Bauden, in denen sich dabei langsam
die Umstellung auf das Gastgewerbe zwangsläufig vollzog. Neben Käse
und Brot waren nach und nach auch andere Speisen erhältlich; bald machte
die österreichische Küche von sich reden, und statt Milch konnte man
jetzt auch Landwein oder gar einen Tokaier erhalten.
Um den ständigen Klagen über die dürftige Schlafgelegenheit abzuhelfen,
wurden 1866 in der Peterbaude die ersten Fremdenzimmer gebaut. Auch da mussten
Baumaterial und Einrichtungsgegenstände noch mühsam hinaufgetragen
werden, denn Fahrwege gab es noch nicht.
Noch 1866 wurde eine Telegraphenagentur auf der Baude eingerichtet. Jahr um
Jahr gab es Verbesserungen. Küche und Keller boten eine reiche Auswahl;
immer zahlreicher kamen Gäste aus nah und fern, um einen gemütlichen
Baudenabend oben am Kamm zu verleben. Bald reichten weder Gaststube noch Übernachtungsmöglichkeiten
aus, und so wurde in den Jahren 1886 bis 1888 neben der alten Baude ein neues
Haus errichtet, das einen großen Gastraum, dreißig Fremdenzimmer
und Wirtschaftsräume enthielt.
In den neunziger Jahren begann auch der Winterverkehr. Rodel- und vor allem
Hörnerschlittenpartien zählten bald zu beliebten Wintervergnügungen.
Oft kamen ganze Schlittenkolonnen, von Pferden gezogen, von der schlesischen
Seite aus herauf; während die Gesellschaft in der Baude zu Mittag aß,
wurden die Pferde nach Spindelmühle geführt, die Hörnerschlitten
fuhren mit Führer und Gast hinterher. Die Pferde zogen die unten anlangenden
Schlitten wieder zur Peterbaude hinauf, und von dort wurde dann die zweite Abfahrt,
zurück nach Agnetendorf / Hermsdorf, unternommen. Von Winter"sport"
konnte man also dabei kaum sprechen; aber langsam erschloss sich die Rauhreifpracht
der Kammregion auch dem Nichtgebirgler. Den Wunsch, das winterliche Gebirge
abseits der gebahnten Wege zu durchstreifen, erfüllte jedoch erst der Skilauf,
der im Riesengebirge Ende des vorigen Jahrhunderts Eingang fand. Die ersten
Skipioniere wurden natürlich nicht sehr ernst genommen. Doch bald erkannte
man den Wert dieses Geräts als reines Fortbewegungsmittel, und so standen
schon vor der Jahrhundertwende in der Peterbaude die ersten langen Bretter,
aus Norwegen importiert.
Der Winterverkehr brachte es mit sich, dass nunmehr auch heizbare Fremdenzimmer
benötigt wurden. Die Baude war sowieso schon wieder zu klein geworden;
so ließ Vinzenz Zinecker 1901 das ältere Haus abtragen und dafür
einen Neubau errichten, in dem neben Stallungen, Heuboden und Wirtschaftsräumen
aus denen die alte Baude bestanden hatte im ersten und zweiten
Stock Fremdenzimmer mit Ofenheizung untergebracht waren. Beide Häuser wurden
durch eine Halle verbunden, und diese Grundform der Baude ist trotz aller späteren
Zu- und Umbauten bis zuletzt erhalten geblieben. Architektonisch glücklich
war diese Lösung gerade nicht, und die für die Peterbaude charakteristischen
flachen Dächer waren alles andere als bodenständige Bauweise. Ein
letzter Umbau, der diesen Schönheitsfehler beseitigen wollte, ist ein Traum
geblieben, den Krieg und Vertreibung zerschlagen haben.
In den nächsten Jahren wurde eine eigene, etwa einen Kilometer lange Hochquellwasserleitung
gelegt, eine Lichtanlage für Gasbeleuchtung eingeführt und, da der
Wintersport immer mehr zunahm, in beide Häuser Zentralheizung eingebaut.
1908 wurde zusätzlich zu der bereits vorhandenen Telegraphenagentur in
der Baude eine öffentliche Fernsprechstelle und das österreichische
"Postamt Peterbaude" eröffnet, ein Unikum insofern, als die Zustellung
sowohl von österreichischer wie von reichsdeutscher Seite aus erfolgte.
Es bestand auch eine direkte Telephonverbindung in das Reich, so dass bis etwa
1930 Gespräche von Spindelmühle oder Hohenelbe nach Deutschland vom
Postamt Peterbaude vermittelt wurden.
Als Vinzenz Zinecker 1913 starb, war sein arbeitsreiches, mühevolles Leben
von Erfolg gekrönt. Allen Neuerungen zugängig, war er stets auf das
Wohl seiner Gäste bedacht gewesen und hatte aus einer kleinen Baude einen
großen, bekannten und beliebten Berggasthof gemacht. Als man ihn aus seiner
Peterbaude hinaustrug und ihm die Förster aller Gebirgsreviere von hüben
und drüben in der Halle ein letztes Halali bliesen, geleitete ihn manch
langjähriger Gast hinunter, zum Spindelmühler Friedhof. Mit ihm wurde
ein Mann zur letzten Ruhe gebettet, der nicht nur an der Erschließung
des Riesengebirges für den Fremdenverkehr ausschlaggebend beteiligt war,
sondern der auch wie nur wenige das Gebirge bis in die verborgensten. Winkel
gekannt und bei jedem Wetter durchstreift hatte.
Während des ersten Weltkrieges war nur wenig Fremdenverkehr. In dieser
Zeit leitete die Witwe Anna Zinecker die Baude, denn zwei Söhne standen
an der Front, zwei gingen noch zur Schule. Es waren harte Jahre mit vielen Sorgen.
Nur zwei alte Pferde waren für Transportzwecke belassen worden, und nicht
einmal für diese war genug Hafer da. Es mangelte überall an Arbeitskräften.
Es gab zu wenig und schlechte Lebensmittel; es gab viel Kriegsanleihe und wenig
Bargeld.
Der Kriegsschluss 1918 bescherte der Peterbaude die erste tschechische Besatzung.
Die neuerstandene Tschechoslowakei schickte als Sendboten ihrer Kultur und Sprache
russische Legionäre, die die Grenzbewachung durchführen sollten, was
sie hin und wieder durch wilde Schießereien sich selbst bewiesen. Sonst
waren sie ziemlich harmlos; der zwiegeschwänzte Löwe wuste noch nicht
mit seinen scharfen Krallen umzugehen. Später hat er es dafür um so
gründlicher gelernt.
Der bittere Kelch einer Enteignung, alles grenznahen Besitzes ging noch einmal
vorüber; diese wurde nur beim Großgrundbesitz durchgeführt.
Um jedoch auch äußerlich das Besitzrecht an "naše krkonoše"
zu dokumentieren, mussten von jetzt ab alle Aufschriften womöglich nur
tschechisch, zumindest aber zweisprachig sein. Tschechisch sprechendes Personal
wurde ebenso verlangt wie tschechische Wegweiser. Trotz aller Propaganda und
trotz staatlich gelenktem Fremdenverkehr blieb aber der tschechische Anteil
am Gesamtverkehr immer nur gering und überschritt in der Peterbaude im
Jahresdurchschnitt nie sechs Prozent. Allerdings muss man dabei berücksichtigen,
dass das Hauptziel der tschechischen Gäste die tschechischen Bauden waren,
die zum Teil neu errichtet wurden, zum Teil aus enteignetem Besitz des Grafen
Harrach stammten. Doch selbst diese Bauden konnten sich nur als steuerbegünstigte
Zuschussbetriebe des Staates halten, der andererseits vor allem unter
dem Beneš-Regime versuchte, mit Steuerschikanen und ähnlichen
Mitteln die wirtschaftliche Rentabilität der großen sudetendeutschen
Bauden zu untergraben, um sich auf kaltem Weg in deren Besitz zu setzen. Dieser
Kleinkrieg um deutschen Boden ist nur Grenzlanddeutschen verständlich und
wurde von der Masse der reichsdeutschen Besucher nicht erkannt, die durch ihr
Verhalten oft die Absichten des Gegners unterstützten. Dies führte
nach 1935 fast zum Boykott von beiden Seiten: Viele Tschechen mieden die Peterbaude,
weil sie sudetendeutsche Besitzer hatte, viele Reichsdeutsche, weil sie in völliger
Verkennung des völkischen Gedankens an der staatlich erzwungenen Zweisprachigkeit
Anstoß nahmen, wenn sie nicht gar Bauden auf tschechischem Gebiet "grundsätzlich"
nicht betraten. Dass sie damit den tschechischen Bestrebungen Vorschub leisteten
und in gar nicht so langer Zeit Baude um Baude in volksfremde Hände übergegangen
wäre, lag außerhalb des Horizontes dieser Hundertfünfzigprozentigen.
In der zwanzigjährigen Zeitspanne von 1918 bis 1938 vollzog sich diese
Zuspitzung der Verhältnisse nur ganz allmählich und ging Hand in Hand
mit der Verschlechterung der allgemeinen politischen Lage, die immer deutlicher
zu einer Entscheidung drängte.
Jedenfalls trat zunächst nachdem die Geburtswehen und Kinderkrankheiten
der neu errichteten ČSR. überstanden waren auch in den Grenzgebieten
wieder Ruhe ein. Der Fremdenverkehr nahm sogar sehr rasch einen neuen Aufschwung,
besonders als der Kammweg, der ja abwechselnd über reichsdeutsches und
tschechoslowakisches Gebiet führte, zu einem internationalen Weg erklärt
wurde, der von Angehörigen beider Staaten ohne besondere Grenzausweise
begangen werden durfte. So war Anfang der zwanziger Jahre die Peterbaude im
Sommer wieder fast täglich vollbesetzt.
Mancher Gast jener Zeit wird noch an die "Lampenparade" erinnern.
Da der Grundstoff zur Gasbereitung noch nicht wieder zu haben war, erfolgte
die Beleuchtung durch kleine Tisch-Petroleumlampen. Wenn es dunkelte, trugen
Kellner und Hausdiener "in rollendem Einsatz" diese Lampen auf die
einzelnen Tische der Gaststuben, und der Zitherspieler intonierte einen Marsch
dazu. Noch in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre wurde aber dann elektrisches
Licht eingeführt. Gemeinsam mit der Adolf- und Spindlerbaude wurde im Roten
Floß ein Elektrizitätswerk gebaut, das die drei großen Kammbauden
der Mitte mit Licht versorgen sollte. Die Länge der Freileitungen betrug
über zehn Kilometer, die letzte Wegstrecke war als Kabel verlegt. Bald
zeigte sich jedoch, dass die Wasserkraft nicht ausreichte, um den ungewöhnlich
hohen Strombedarf zu decken; oft mussten damals die Petroleumlampen einspringen,
wenn das elektrische Licht immer schwächer und schwächer wurde. Als
das E-Werk Spindelmühle an Parschnitz angeschlossen wurde, übernahm
diese Überlandzentrale auch gleichzeitig das E-Werk im Roten Floß.
Die Inflation brachte einen gewaltigen Rückschlag im Fremdenverkehr und große
finanzielle Verluste. Die Einnahmen bestanden fast ausschließlich aus Reichsmark,
und bis diese zur Umwechslung im nächsten 25 Kilometer entfernten Bankinstitut
waren, betrug ihr Wert nur mehr Bruchteile. Erst mit der Stabilisierung traten
normale Verhältnisse ein, und langsam konnte sich die Baude wieder erholen.
Obwohl die Unterhaltskosten der eigenen Volkswirtschaft kaum durch den Milchertrag
gedeckt wurden, standen aus alter Tradition immer noch 16 bis 18 Kühe im Stall.
Mindestens vier Pferde waren für Transportzwecke nötig. Um nun diesen Wirtschaftsbetrieb
gänzlich vom Gastbetrieb zu trennen, wurde neben den beiden bereits bestehenden
Bauden ein drittes Haus errichtet. Damit wurden die von 1925 bis 1929 dauernden
großen Um- und Zubauten eingeleitet. Dieses Wirtschaftsgebäude enthielt neben
Heuboden, Remise, Kuh- und Pferdestall nur Personalwohnungen. Die Verbindung
zu den Hauptgebäuden wurde durch eine Halle hergestellt, die im Winter als Ablage
für Sportgeräte diente. Die eine Baude wurde innen gänzlich umgebaut und enthielt
nur mehr gut ausgestattete Fremdenzimmer und Bäder. Insgesamt standen jetzt
für Gäste 64 Zimmer mit 100 Betten zur Verfügung. Die Inneneinrichtung der Gaststuben
selbst wurde auch gänzlich umgestaltet und neue Gasträume angebaut, wobei sich
alter Baudenstil mit modernen Anforderungen geschmackvoll paarte. Alle in Betracht
kommenden technischen Neuerungen wurden eingebaut; es gab eine elektrische Kühlanlage
mit Kühlräumen, Kühlschränken und Eismaschine, eine elektrische Großwäscherei
mit Bügelmaschine, eine elektrische Geschirrspülmaschine, eine Lautsprecheranlage,
um nur das Wichtigste zu nennen. Ein Verkaufsraum für Sportausrüstungen usw.
war ebenso vorhanden wie ein Friseursalon, und in einer Haustischlerei konnten
alle anfallenden Reparaturen ausgeführt werden. Wenn auch durch moderne Verkehrsmittel
und den Bau der Spindlerpassstraße die Verbindung mit den Talorten eine sehr
große Erleichterung gegenüber früher erfahren hatte, war es doch nötig, auf
so vielen Gebieten wie nur möglich autark zu sein.
Dass ein derartiger Betrieb einen großen, dabei aber gut eingespielten Bedienungsapparat
zur Voraussetzung hat, ist selbstverständlich. In der Saison waren bis zu 50
Angestellte nötig, deren überwiegende Mehrzahl der Peterbaude jahre- und jahrzehntelang
die Treue hielt. Und ebenso hatte sich ein Stamm von Wohngästen gebildet, so
dass in den Hauptverkehrszeiten Zimmer nur dann zur Verfügung standen, wenn
ein oder der andere Stammgast am Kommen verhindert war. Vor allem hatte der
Winterverkehr einen ungeahnten Aufschwung genommen und dem Sommer den Rang weit
abgelaufen. Zwei Skilehrer hatten mehr als genug zu tun, um ihre Schützlinge
in die Kunst des weißen Sports einzuführen oder sie darin zu vervollkommnen.
Schon 1932 machte sich dann ein leichter Rückgang bemerkbar; die Folgen von
Devisenbestimmungen, Ein- und Ausreiseschwierigkeiten, politischer Verhetzung,
Befestigungsbauten mit Sperrgebieten usw. traten von Jahr zu Jahr immer mehr
in Erscheinung, um schließlich, wie bereits erwähnt, beinahe den gesamten Verkehr
lahmzulegen.
Als die Tschechen auf Grund ihrer Teilmobilmachung im Mai 1938 die Grenze sperrten,
war der Kamm leergefegt, und den ganzen Sommer über sah man nur wenig Gäste.
Der Herbst brachte dann die zweite Grenzbesetzung; die Bewohner der im Vorfeld
des Befestigungsgürtels liegenden Sieben Gründe zogen mit ihrem Vieh und wenigen
Habseligkeiten hinüber auf die schlesische Seite des Gebirges. Auch die Peterbaude
musste damals für drei Tage leer und verlassen stehen zum erstenmal seit
1811. An einem dieser Tage erbrach plündernde tschechische Gendarmerie und Soldateska
die Baude und gab ein kleines Vorspiel zum Inferno des Jahres 1945. Einige Schüsse
bewogen den Haufen zu eiligem Abzug. Um eine Wiederholung, vor allem aber eine
Brandstiftung wie bei der Wiesenbaude zu verhüten, wurde die Baude wieder belegt
und durch Stolperdrähte und Wachtposten bei Tag und Nacht abgesichert, bis dann
nach einer Woche der Ungewissheit der Anschluss des Sudetenlandes an Deutschland
erfolgte.
Nur ein knappes Jahr kehrte wieder Ruhe und geregelte Arbeit zurück. Zwar war
auch während des zweiten Weltkriegs die Baude geöffnet und der Verkehr recht
beachtlich; aber immer drohender zeichnete sich der ungünstige Ausgang des Krieges
ab. Als dann im Frühjahr 1945 der Geschützdonner näher und näher rückte, als
man das Mündungsfeuer russischer Batterien sah, stand schon die Zukunft unheilschwanger
an der Schwelle eines anderen Lebens.
Nach dem Zusammenbruch wurde die Peterbaude zwar vor einem russischen Besuch
bewahrt, da der Weg vom Spindlerpass zur Baude noch nicht schneefrei war. Dafür
tobten sich die tschechischen Partisanen aus und nahmen mit, was ihnen gefiel.
Eine Enttäuschung bereiteten ihnen allerdings die Bestände des Weinkellers,
die erheblich zusammengeschmolzen waren, da sie zur Labung zurückflutender deutscher
Landser gedient hatten.
Natürlich wurden gleich tschechische Verwalter eingesetzt, und schon am 19.
Juni 1945 wurden die letzten Besitzer, die vier Brüder Zinecker, von denen zwei
aus dem Krieg noch nicht wieder zurück waren, aus ihrer Peterbaude und von ihrem
Heimatboden vertrieben. Binnen einer Stunde musste ein kleines Bündel geschnürt
sein, das unterwegs noch mehrmals ausgeplündert wurde. In Viehwagen wurden sie
dann aus Sammellagern zusammen mit anderen Leidensgenossen zur Grenze abgeschoben
und dort ihrem Schicksal überlassen.
Am 16.02.2011 erreichte
uns die Nachricht, dass die Peterbaude in einen ganz erbärmlichen Zustand
befindet. Die Besitzerin, eine Pragerfirma, lässt die Baude verkommen.
Im tschechischen Internet wurden Bilder vom Zustand der Baude veröffentlicht.
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