Im Kapitel "Fremdenverkehr" der Ortschronik von Spindelmühle wurde
bereits darüber berichtet, dass ab Mai 1942 größere Hotels als Lazarette für
kranke oder verwundete Soldaten oder für Kinder und Jugendliche im Rahmen der
KLV (Kinderlandverschickung) genutzt wurden. Während ich Berliner und Nürnberger
Mädchen ausfindig machte und deren Zeit in Spindelmühle im Buch festhalten konnte,
fehlten mir vergleichbare Informanten aus den Lararetten. Aus diesem Grunde
war es mir damals nicht möglich, hierüber etwas zu Schreiben.
Seit 1995 leben wir in Bad Liebenzell. Dort kam ich mit Herrn Blessing in Kontakt.
Die Veröffentlichung in der regionalen Presse über die Verleihung der Verdienstmedaille
und die Information, dass mein Heimatort Spindelmühle ist, war der Grund für
seinen Anruf. Zu meiner Überraschung erzählte er mir, dass er Spindelmühle kennt.
Dies nahm ich zum Anlass, mich des Öfteren mit ihm zu treffen, seine alten Bilder
und Unterlagen vom Riesengebirge durchzusehen und ihn zu animieren, nunmehr
über seine Erlebnisse im Riesengebirge mit meiner Unterstützung nachfolgenden
Bericht zu verfassen. Er liefert dankenswerter Weise mit seinem Bericht die
in der Chronik fehlenden Informationen.
Ich wurde 1941 Soldat. Über verschiedene
militärische Stationen landete ich im März 1944, als 21-jähriger Leutnant, in
der Nordukraine bei einer leichten Artillerie-Einheit als VB (vorgeschobener
Beobachter). Im Juni des Jahres traten bei mir unerklärliche Fieberanfälle auf.
Nach drei einwöchigen Fieberschüben brachte mich mein Hauptmann zur nächsten
Krankensammelstelle zum Weitertransport ins Feldlazarett Wladimir. Ohne weitere
Untersuchung wurde ich ins nächste Lazarett verschickt. In einer fieberfreien
Phase kam ich in Lublin an, wo für den übernächsten Tag der Abtransport in die
Heimat angekündigt wurde. Die Fahrt ging dann über Oberschlesien Richtung Riesengebirge
nach Hohenelbe. Es war Nacht als wir mit dem Bus von dort nach Spindelmühle
in das "Reservelazarett Spindelmühle" gebracht wurden.
Die Unterkunft war an der oberen Dorfstraße im schön gelegenen Grandhotel, in
dem kranke und verwundete Soldaten untergebracht waren. Ich bekam ein freundliches
Zimmer zum Hang hin, das ich mit einem weiteren Offizier teilte. Der Speisesaal
war etwas düster. Ich erinnere mich gut an den verstimmten Flügel im Aufenthaltsraum,
auf dem ein Patient fleißig Schlager spielte.
Die Ärzte untersuchten mich von Kopf bis Fuß und fanden endlich die Ursache
meiner Fieberanfälle: Ich hatte Malaria, die ihren Ursprung wohl im Kaukasus-Kubangebiet
haben musste! Nachdem man dies diagnostiziert hatte, erhielt ich die entsprechende
Medikamentenbehandlung. Daneben wurde mir Ruhe verordnet. Ich sollte mich auf
keinen Fall anstrengen.
Ich durfte nur kleinere Spaziergänge machen. Die Berge und die Umgebung im Ort,
erinnerten mich an den Schwarzwald, allerdings waren die Hänge weniger bewaldet,
sodass man häufig schöne Ausblicke hatte. Ich bemerkte noch weitere Lazarette
in Ort, auch ein Marinelazarett. Es waren viele Soldaten im Ort.
Vom Hoteleingang über die Straße erreichte man nach wenigen Metern die Elbe,
ein kleiner Bach mit einem breiten, hoch gemauerten Bachbett. Ich war sehr verwundert
über diese gewaltige Anlage! Im Gespräch mit Einheimischen erfuhr ich, dass
starke Regenfälle die Elbe schnell und stark anschwellen lassen. Ich sollte
es erleben. Nach starken Regenfällen in der Nacht hörte ich, obwohl mein Zimmer
am Hang und nicht auf der Elbseite lag, lautes Rumpeln. Es waren die Felsbrocken
in der Elbe, die das unbändige Wasser mit sich riss!
Am Morgen sah ich das Hochwasser schon vom Hotel aus. Die Elbe wütete mit starken
Wellen. Unter der Dorfbrücke im Zentrum war nur noch ein winziger Durchfluss.
Einheimische Männer waren damit beschäftigt, antreibende Baumstämme aus dem
Wasser zu ziehen, um den Wasserdruck an der Brücke zu mildern. Dies war für
mich ein fantastisches Naturerlebnis.
In den Tagen danach bekam der Oberleutnant im Nachbarzimmer Besuch von seiner
Frau. Er schlug vor, zu einer Baude zu wandern. Es ging die Elbe entlang aufwärts
und dann steil den Berg hinauf, bis wir nach etwa einer Stunde eine Baude erreichten.
Es war die Davidsbaude. Ich war komplett nass geschwitzt. Wir hielten uns nur
kurz dort auf und wanderten zurück zum Grandhotel. Bei der Ankunft empfing mich
die Oberschwester mit sorgendem Kopfschütteln sie machte mir sofort ein
warmes Bad und danach musste ich ruhen.
Und nun passierte gar nichts! Nach dieser Wanderung bekam ich zur Verwunderung
von Ärzten und Schwestern keine Fieberanfälle mehr!
So war der Weg frei für ausgiebige Wanderungen: Einmal ging es in Richtung zur
Elbquelle. Ein anderes Mal gingen wir in den Wald und entdeckten soviel Blaubeeren,
wie ich zuvor und danach noch nie an einem Platz gefunden hatte. Ich habe wohl
sicher eine halbe Stunde gepflückt, ohne von meinem Platz weg zu müssen! Bei
dieser Wanderung kam mir - wie ich mich noch genau erinnere die Frage,
was wohl mit dieser schönen Landschaft und ihren Menschen werden würde, wenn
die Sowjets bis hierher kämen.
Die größte Wanderung, die ich gemeinsam mit einer Krankenschwester unternahm,
führte über den Spindlerpass auf den Kammweg. Nach einem Abstecher hinunter
zum Großen Teich, wie ein Foto, das ich fand, beweist, ging es weiter bis auf
die Schneekoppe. Zurück wählten wir den Weg über die Wiesenbaude zum Ziegenrücken.
Zusammen mit der Schwester kletterte ich, zeitweise so schwierig wie in den
Alpen, hoch auf dem Grat des Ziegenrückens entlang. Danach ging es über St.
Peter zurück.
Wie in meinem Soldbuch vermerkt, war ich von 19.07. bis 23.08.1944 in Spindelmühle.
Ein Foto, vom Fotohaus Pfohl, erinnert mich an diese für mich sehr schöne Zeit.
im Hintergrund die Schneekoppe |
© Copyright 2006 2012, http://spindelmuehle.riesengebirgler.de / www.riesengebirgler.de